Jagdtrieb

Warum der Jagdtrieb so manchen unserer Haushunde zum unkontrollierbaren Weglaufen bringt.

Hund wieder eingefangen
Auf und davon, aber wieder eingefangen !

Der Jagdtrieb, sein Ursprung, die Auswirkungen auf das Verhalten des Hundes und Gegenmaßnahmen.

Jagdtrieb

Hunde mit Jagdtrieb

Der Jagdtrieb des Hundes ist bei ihren Haltern neben übermäßiger Aggression oder Dominanz eines der größten Problemfelder.

Der Jagdtrieb steckt mehr oder weniger ausgeprägt in jedem Hund und wenn ein Hund um sein Überleben kämpfen muss, um an Nahrung zu gelangen, kommt dieser Trieb praktisch immer an die Oberfläche.
Jedoch jagen nicht alle Hunde, denn es gibt sogar Rassen, bei den der Jagdtrieb durch Zucht praktisch nur noch sehr gering lodert. Auch der ein oder andere Hund einer jeden Rasse wird sich kaum für das Jagen begeistern lassen.
Für die meisten Hunde gilt es, einen durchschnittlichen Jagdtrieb anzunehmen, bei einigen ist er auch ausgeprägter.

Bei den Hunden des Südens ist der Jagdtrieb leider jedoch bei fast allen ausgeprägt. Die Ursachen liegen darin, dass ein Großteil der Hunde in diesen Ländern bereits zur Jagd oder zum Bewachen gezüchtet wurden oder sich als Streuner und Straßenhunde selbst ernähren mussten. Hätten letztere nicht dabei auch gejagt, wären sie mit ziemlicher Sicherheit verhungert.

Dadurch hat der Halter eines solchen Vierbeiners insofern ein Problem, als ein jagender und dann nicht abrufbarer Hund nicht frei herumlaufen sollte und ständig an der Leine geführt werden muss. Ein jagender Hund kann erheblichen Schaden verursachen, nicht nur gegenüber dem ‚Beutetier‘ oder sich selbst, sondern auch z.B. im fließenden Verkehr, wenn eine gut befahrene Straße mal schnell bei dem Verfolgungsrennen überquert wird.


Was ist Jagen ?

Terrier hetzt
Dieser Terrier hetzt, wobei er hier aber vor allem nur seinen Bewegungs- und Betätigungstrieb auslastet.

Jagen ist erst einmal ein völlig natürliches Verhalten eines Hundes. Damit ist es dann auch erst einmal kein Problem für den Hund, sondern nur eines für seinen Besitzer.
Um es wissenschaftlich zu formulieren, ist der Jagdtrieb der angeborene, ursprünglich aus dem Ernährungstrieb hervorgegangene Drang, ein durch die Nase oder die Augen erkanntes Wildtier zu verfolgen und zu stellen.
Ein Trieb wiederum ist eine unbewusste, aus biologischen Gründen wichtige Handlung, welche für das Überleben wichtig ist. Dabei spielen sowohl körperliche auch als geistige Reaktionen eine Rolle.

Neben dem Jagdtrieb gibt es aber auch noch ähnliche Triebe, die unterschieden werden müssen. Dazu gehört erst einmal der gewöhnlich vorausgehende Spürtrieb, bei dem der Hund voller Erwartung und Ausdauer einer Fährte folgt.
Der Beutetrieb, welcher über den Jagdtrieb hinausgeht und darauf ausgerichtet ist auch ‚Beute zu machen‘, als das verfolgte Tier zu töten.
Beim Bringtrieb spricht man davon, dass der Hund die erlegte Beute verschleppt, versteckt, vergräbt oder zu seinen Welpen bringt.
Ist keine Tötungsabsicht im Spiel, lässt der Bewegungs- und Betätigungstrieb den Hund trotzdem hinter einem ‚Beutetier‘ her hetzen, um aufgestaute Energie durch Bewegung und Betätigung abzubauen.

In der Praxis bedeutet dies, dass der Jagdtrieb bei fast allen unseren Hunden schlummert, aber nur noch selten etwas mit Hunger oder der Aufzucht von Welpen zu tun hat. Vielmehr ist das Jagen für unseren Haushund eine sich selbst belohnende sportliche Tätigkeit, welche aus dem zuletzt erwähnten Bewegungs- und Betätigungstrieb erfolgt.

Die Natur hat diesen Trieb unserem Hund ‚eingepflanzt‘, damit diese Anlage verhindert, dass er verhungert. Dabei wird er durch Hormone, welche ihn in den Glückszustand versetzen stimuliert, was ihn besser belohnt, als es jedes Spiel, Streicheleinheit oder ein Leckerli tun könnte.
Hunde mit einem ausgeprägten Bringtrieb jagen vor allem, um diesen auszulasten, während andere schon glücklich sind, wenn sie jeder interessanten Fährte folgen können, um den Spürtrieb zu befriedigen.
Welchen der sich ähnelnden Triebe bei dem eigenen Hund am stärksten ausgeprägt ist und welcher vielleicht gar nicht vorhanden ist, erkennt man durch das Beobachten seines Verhaltens.


Die Jagdsequenz

Terrier im Gras
Terrier in vollen Tempo durch das Gras.

Die komplette Jagdsequenz besteht aus diesen Phasen:

  • Erkennen,
  • Fixieren,
  • Anpirschen,
  • Hetzen,
  • Zupacken,
  • Töten,
  • Zerreißen,
  • Fressen

In der Praxis läuft dies wie folgt ab: Das Beutetier wird durch stöbern, spüren, Horchen oder mit den Augen erkannt und fixiert. Der Spur des Tieres wird gefolgt, anschließend wird es verfolgt und eingekreist. Schließlich wird das Beutetier durch kräftiges schütteln oder durch Aufreißen des Halses oder Nacken getötet.

Jeder Hund hat für die einzelnen Phasen eine unterschiedlich starke Ausprägung, kann aber auch direkt mit späteren Sequenzen der Jagd beginnen, was das Verhalten anfänglich schwer zu erkennen macht.
Je nach Individuum und Rasse durchläuft der Hund entweder all diese Phasen oder nur bestimmte, da diese in seinen Genen festgelegt sind. Durch Zucht, dem natürlichen Vererbungsprozess oder auch Training wurden die unterschiedlichen Phasen verändert, sodass einige kräftiger, andere schwächer ausgeprägt sind.


Die außergewöhnliche Sinnesleistung der Hunde

Hunde beim Schnüffeln
Hunde beim Schnüffeln an einer Spur.

Alle Sinne der Augen, Ohren und Nase des Hundes sind praktisch für das eine Ziel optimiert, nämlich der Jagd.
Um zu erkennen, wann und wie der Jagdtrieb des Hundes ausbrechen kann, ist es unbedingt notwendig eine Vorstellung ihrer außergewöhnlichen Sinnesleistungen zu bekommen.

Hunde können selbst im schwachen Licht der Morgen- oder Abenddämmerung Beutetiere erkennen, denn sie sind ‚Bewegungsseher‘ und können sich bewegende Objekte um ein Vielfaches besser erkennen als ein Mensch. Wenn der kleine, sich bewegende Punkt am Horizont für uns kaum zu erkennen ist, kann der Hund diesen als Katze, Wildtier o.ä. identifizieren.
Während das Gesichtsfeld des Menschen etwa 100° beträgt, ist es beim Hund ungefähr 210°. Dafür kann der Hund Farben nur sehr begrenzt erkennen, darunter Rot, Blau, Indigo und Violett. Im Großen und Ganzen sieht seine Welt aber Schwarz, Weiß und Grau aus.
Bei schlechten Lichtverhältnissen weitem sich die Pupillen unseres vierbeinigen Freundes sehr stark, sodass er viel besser und vor allem mehr sehen kann als wir.

Noch überlegener als die optischen Fähigkeiten des Hundes ist sein Gehör im Gegensatz zum Menschen. Damit ein Mensch Frequenzen im Ultraschallbereich hört, müssten sie etwa dreimal so stark sein wie es für den Hund schon ausreicht, wobei dieser auch noch feinste Unterschiede des Tones erkennt.
So ist zum Beispiel das Rascheln im Gras durch eine Katze oder Maus für den Hund auf mehreren Metern Entfernung hörbar, während sein Herrchen achtlos vorübergehen würde.

Den größten Vorsprung hat der Hund jedoch durch seinen Geruchssinn. Während der Hund bis zu 200 Millionen Geruchsrezeptoren hat, kommt der Mensch auf gerade einmal etwa fünf Millionen !
Wenn die Hunde mit den Nasen auf dem Boden der Spur folgen, ist das für sie so deutlich zu lesen, als könnten wir von dem Lebewesen die Tritte im Boden sehen. Auch kann der Hund sehr gut unterscheiden, welche Spur älter ist und welche frisch, sodass er weiß, welcher sich zu folgen lohnt.
Die kleinsten Hautschuppen, am Gebüsch oder Gras hängengebliebene Partikel des Körpers und sogar zertretene Kleinstlebewesen, für die ein Mensch zum Erkennen ein Mikroskop benötigt, kann der Hund erschnüffeln.

Ausgerüstet mit einem genialen Seh-, Hör- und Riechapperat ist der Hund somit ein perfekter Jäger und lebt in einer völlig anderen Welt als ein Mensch. Bei derartig vielen Reizen, welche auf unseren Hund einwirken, ist es kein Wunder, dass viele den Jagdtrieb nur mühsam unterdrücken können.


Streuner, Straßenhunde und Jagdhunde

Geruchssinn dieser Jagdhunde
Der Geruchssinn dieser Jagdhunde ist mindestens 40-mal so stark wie von uns Menschen.

Die Jagdgebrauchshunde oder die Gruppe der Eigenversorger aus Streunern und Straßenhunden aus den südlichen Ländern ist am schwierigsten ihr zumeist ausgeprägtes Jagdverhalten abzugewöhnen. Diese Hunde sind sehr aktiv, selbständiger und unabhängiger, da sie oft keinen engen Kontakt zu Menschen hatten und einen großen Freiheitsdrang haben.
Auch wenn man sie optimal fütter und ebenso körperlich und geistig fordert, können diese Hunde leicht in ihr natürliches Jagdverhalten zurückfallen.

Das Gleiche gilt selbstverständlich aber auch für mittel- oder nordeuropäische Hunde, welche typische Jagdhunderassen sind oder als Mischlinge daraus hervorgegangen sind. Dies erklärt die Verwunderung einiger Hundebesitzer über das ausgeprägte Jagdverhalten ihrer Schützlinge.

Je nach ihrem Einsatzzweck bei der Jagd unterscheiden sich die verschiedenen Hundetypen auch in großem Maße bei ihrem Jagdverhalten. Sie lassen sich im groben in Stöberhunde, Vorstehhunde, Lauf- und Schweißhunde, Apportierhunde, Windhunde und Terrier einteilen.

Deshalb sollte man auf den Jagdtrieb vorbereitet sein, wenn man sich einen Hund einer bestimmten Rasse oder bestimmter Herkunft zulegt. Diesen abzugewöhnen ist mit zunehmenden Alter des Hundes auch schwieriger.


Hütehunde und Hobby-Jäger

schöner kretischer Hütehund
Ein schöner kretischer Hütehund im Schnee, der darin ausgebildet wurde, Schafe zusammenzuhalten, aber auch als Jagdhund auftritt. Hier erkennt man deutlich einen fixierenden Blick.

Hütehunde bewachen das Vieh, wobei sie die Herde umkreisen, sie von einem Punkt zu einem neuen Ziel treiben. Dabei stehen sie fixierend vor den Herdentieren und zwickene auch schonmal einem Schaf in das Bein, wenn es nicht funktioniert.

Rassen, die für diese Aufgaben gezüchtet wurden, machen diesen Job auch gerne mal ungefragt mit der Herde des bisher freundlichen Schäfers in den Hügeln, wenn man nicht aufpasst.
Auch laufen Hütehunde während des Spaziergangs ohne Leine große Kreise um ihre Objekte. Wenn es nicht möglich ist, dies abzutrainieren oder der Hund dies mehr als zwei- oder dreimal zu Beginn des Freilaufens macht, ist der Trieb übermächtig. Daher sollte der Auslauf dort erfolgen, wo man den Hund in den Augen behalten kann und wenig Verkehr ist.

Dann gibt es noch die ‚Hobby-Jäger‘, Hunde jeder Fasson und welche keiner einzigartigen Hunderasse angehören und unser weißer Terrier von den Fotos auf dieser Seite gehört dazu.
Sie sind völlig atypisch, aber es stresst Herrchen schon gewaltig, wenn sie praktisch 24 Stunden am Tag auf der Lauer liegen und bei der geringsten Gelegenheit zur Jagd losziehen. Darunter sind auch Hunde, welche unbeabsichtigt mit der Hilfe des Herrchens, sich die Jagd selbst beigebracht haben.

Schließlich gibt es noch die ‚Langweiler‘, die nur aus Langeweile Jagen, weil es ihnen so viel Spaß macht und sie nichts Besseres zu tun haben. Sie haben zumeist nur noch nicht kapiert, dass ihr Verhalten unerwünscht ist. Erhält der Hund ein Gehorsamtraining und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, ist der Fall zumeist schon erledigt.


Anti-Jagdtraining

Leben von Chelsea
Hier sieht man was passieren wird, wenn dieser weiße Terrier nicht an der Leine wäre: Obwohl er niemals ein Schaf packen oder gar töten würde, kann er dem Bewegungs- und Betätigungstrieb nicht unterdrücken und gleichzeitig sieht er für die Schafe einem ‚Kollegen‘ ähnlich.

Durch individuelles Training kann bei jedem Hund eine oder mehrere Phasen der Jagdsequenz abgeschwächt oder gewünschte Sequenzen gefördert werden.
Ist kein Vollblut-Jagdhund erwünscht, so ergeben sich damit interessante Möglichkeiten. So sollte man bei Welpen oder Junghunden schon beginnen, die problematischen Phasen abzuschwächen und dafür andere zu stärken.
So kann ein typischer Vorstehhund mit geeignetem Spielzeug oder Attrappen seine natürliche Begabung so richtig schmackhaft gemacht werden, während er gleichzeitig sein Interesse am unkontrollierten Hetzen verliert, wenn man vermeidet, ihn in dabei und eine Zeitlang danach mit Beutetieren oder Wild zu konfrontieren.

Auf diese Weise wird das gezeigte Grundverhalten verstärkt, während man versucht, ihm die nachfolgende Jagdsequenz abzutrainieren. Allerdings gibt es hierfür auch Grenzen, denn manchmal läuft im Hund ein genetisch festgelegtes Programm ab, dass man nicht verhindern kann.

Grundsätzlich beruht das Anti-Jagdtraining auf diesen Grundlagen: Vertrauensvolle Bindung, sorgfältige Begleithundeerziehung und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, um den Jagdtrieb abzubauen. Die Voraussetzungen für dieses Training ist der allgemeine Gehorsam des Hundes und er muss Grundkommandos kennen, welche auch im Ablenkungsfall befolgt werden sollten.
Einzeltraining und Beschäftigungsalternativen des Hundes sollte z.B. mit der langen Schleppleine in freier Natur durchgeführt werden, wo die Probleme mit Wild- oder Beutetieren aufkommen.

Hund an Schleppleine
Hund voraus an der voll gespannten Schleppleine.

Selbst für Hunde mit starkem Jagdtrieb, wie Jagdgebrauchshunde oder Streuner, besteht danach die gute Hoffnung, sie zumindest an abgelegenen Orten zu einer günstigen Tageszeit ohne zu viel Beutetieren oder was sie dafür halten, frei laufen zu lassen. Am besten vermeidet man diese unliebsamen Begenungen zur Mittagszeit, da gerade Morgens und Abends viel Wild unterwegs ist.

Jedoch kann der Jagdtrieb nicht einfach wegtrainiert werden, sondern muss kontrolliert und in geordnete Bahnen gelenkt werden. Dies geschieht durch alternative Beschäftigungen für den Hund, wie Nasenarbeiten und Apportieren. Auch das ‚Hütchenspiel‘ zur Nasenarbeit und Zieh-Spiele lasten den Hund aus und lenken ihn ab.

Hund beim 'Hütchenspiel'
Hund beim ‚Hütchenspiel‘ zur Auslastung durch Nasenarbeit: es geht darum das Leckerli zu erschnüffeln und aufzudecken, welches sich unter einem der Becher befindet.

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1 Kommentar zu „Jagdtrieb“

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